Glossar
A
Akteure
Eigentlich passt der Begriff zur Vorstellung vom öffentlichen Raum als Bühne des städtischen Lebens. Die Stadt entwickelt sich durch verschiedene Entscheidungen unterschiedlicher Akteure alltäglich und beständig weiter und verändert sich dabei. Die Rolle von Architekten, Städtebauern und Planern muss im Netzwerk dieser Akteure situativ ausgelotet werden.
Zukunft Metropole Ruhr
Integriertes Handlungsraumkonzept München
B
Begabung
Zunehmend beschäftigen sich Forschungen mit einem urbanen Landschaftsbegriff und finden inzwischen ihre Fortsetzung in der vertieften Beschäftigung mit den inneren Peripherien. Peri-Urbanität muss als eine spezifische Ausprägung unserer heutigen Urbanität verstanden werden, die zusätzlich vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdebatte auch besondere „Begabungen“ zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen bereithält. Urbane Bestände müssen als Ressourcen gelesen und in Wert gesetzt werden.
C
Campus ist Stadt
Universitäten des 21. Jahrhunderts verstehen sich nicht mehr als isolierte Inseln der Wissenschaft, sondern als integrale Teile der Stadt. Beide bedingen und bereichern sich wechselseitig. Idealerweise ist die Grenze zwischen Campus und „normalem“ Stadtraum fließend und nicht ablesbar.
D
Divers(C)ity
Nicht planbar, aber zu ermöglichen!
Do-it-yourself Urbanismus
Das häufig vordergründig als „nicht geplant“ apostrophierte, nach dem zweiten Weltkrieg explosionsartig gewachsene urbane Territorium amalgamiert abertausende öffentlich-rechtlicher professioneller Entscheidungen mit den „autarken“ Entscheidungen privater Akteure. Das (scheinbare) räumliche und funktionale Chaos, die geklont wirkenden Stadt-Teile offenbaren die Ästhetik der Massengesellschaft und die Anmutungsqualitäten der Ergebnisse eines verbreiteten „Do-it-yourself“ – Urbanismus und erschrecken feinsinnige Fachgemüter ob ihrer Banalität. Inzwischen ist aber eine Generation herangewachsen, die sich hervorragend in diesen Territorien zurecht findet.
E
Entwerfen
Entwerfen im städtebaulichen Massstab ist längst nicht mehr, was es mal war oder zumindest sein wollte. Es schwankt zwischen omnipotenten Gestaltungsmachtfantasien und demütiger Unterwerfung unter die Zwänge des Marktes. Im planerischen Alltag geht es weniger um die Anwendung eines raumfunktionalen Formenkanons als um das Rahmensetzen für städtische Entwicklungsmöglichkeiten: Das Postulieren eines zu Ende gedachten Stadtbildes ist dem Veranschaulichen und gestalterischen Begleiten von urbanen Transformationsprozessen gewichen. Städtebauliches Entwerfen wird in den letzten Jahren ergänzt um das regionale und das raumplanerische Entwerfen. Damit wird einmal mehr ein erweitertes Entwurfsverständnis angedeutet, das auch wieder den Anspruch erhebt, unter bestimmten Voraussetzungen „Forschung“ sein zu können.
F
Forschung
Experimentieren ist notwendig. Trial und error, lernen durch Entwerfen (und Verwerfen), als eine Form des Generierens von Wissen, notabene Forschung also.
G
Gartenstadt
Das Bild der Metrogartenstadt basiert auf den vorhandenen Qualitäten der Landschaft und bringt sie in unmittelbaren Zusammenhang mit den Potentialen der vielfältigen Siedlungsstandorte. Zukünftige Raumentwicklung wird primär die Selbstversorgungskapazitäten des Raums berücksichtigen müssen. Metrogartenstadt antizipiert in diesem Zusammenhang einen Umbau zu einem ganzheitlichen und komplementären System aus Stadt und Landschaft. Dabei entsteht ein neues Bild, eine kontrastreiche, urbane Kulturlandschaft des 21. Jahrhunderts als neues Image einer gesamturbanen, leistungsfähigen wie auch grünen Metropole.
H
Heimat
„Denn das ist das Erstaunliche, dass die große Stadt trotz aller hässlichen Gebäude, trotz des Lärmes, trotz allem, was man an ihr tadeln kann, dem der sehen will, ein Wunder ist an Schönheit und Poesie, ein Märchen, bunter farbiger, vielgestaltiger als irgendeines, das je ein Dichter erzählte, eine Heimat, eine Mutter, die täglich überreich, verschwenderisch ihre Kinder mit immer neuem Glück überschüttet. Das mag paradox, mag übertrieben klingen. Aber wen nicht Vorurteile blenden, wer sich hinzugeben versteht, wer sich aufmerksam und eindringlich mit der Stadt beschäftigt, der wird bald gewahr, dass sie wirklich tausend Schönheiten, ungezählte Wunder, unendlichen Reichtum, offen vor aller Augen und doch von so wenigen gesehen, in ihren Strassen empfängt.“ (August Endell, Die Schönheit der großen Stadt, 1908)
I
Instrumente
In Regionen, wo die strukturellen Probleme am größten sind, muss das planerische Instrumentarium neu konzentriert werden. Marginalisierte Räume werden zu Räumen des Experiments und der Selbstorganisation, hier werden neue Modelle der gesellschaftlichen, ökonomischen und räumlichen Organisation erprobt. Solche „Sonderpraxisbereiche“ können eingebettet sein in eine neue Form der situativen Regelung, die neue gesamtregionale Entwicklungsperspektiven aus konkreten Impulsstrategien und Schlüsselprojekten gewinnen.
J
Junk space
Die immer gleichen Füllungen mit global operierenden Büros und Konzernfilialen werden durch hilflose Namensgebungen aus dem Fundus der (süd-) europäischen Stadt verbrämt und führen zu den hinlänglich bekannten Stadtbausteinen im Stil von CenterArcadenPlazaKollonadenCarreePassagenHöfe.
Nach jahrzehntelanger Verbreitung reicht die Namensgebung allein als Verheissung von städtischem Erlebnis längst nicht mehr aus.
K
Kritische Rekonstruktion
Dieser Begriff, neben dem der behutsamen Stadterneuerung, war Leitmotiv der IBA Berlin in den 1980er Jahren. Die flächenhafte Niederlegung der Gründerzeit-Stadtquartiere im Namen einer normativen Vorstellung von Stadt fand damit ein Ende, diese Quartiere wurden nun um- und weitergebaut. Heute werden wieder ganze Stadtquartiere von einem normativen Stadtideal, dem der sogenannten europäischen Stadt, in ihrer originären Struktur und Substanz bedroht, und die innewohnenden Potentiale übersehen: Die Gartenstadtquartiere bzw. als Stadt-Landschaft konzipierten Stadtteile. Inzwischen erfreuen sich diese Quartiere einer neuen Wertschätzung. Das Postulat für eine kritische Rekonstruktion und behutsame Erneuerung der Garten_Stadt_Landschaft versucht, eine diesen Stadtbeständen angemessene Herangehensweise zu stimulieren.
L
Leitbilder
Alles geht! Supermodernism und New Urbanism, ultrapragmatischer Ingenieursstädtebau neben nostalgisch-eskapistischer Retro-Stadt, regionale „Spezialitäten“ Seite an Seite mit der globalen Hyperkultur. Fakt ist, es gibt keine normativen Leitbilder mehr für die heutige Stadt.
M
Masterplanung
Im Masterplan on demand werden die Rahmenbedingungen und städtebauliche Prämissen für die zukünftige Entwicklung eines Gebietes festgelegt. Das für die einzelnen Bereiche erstellte Regelwerk (Baufelder, Gestaltungsbaulinien, Dichte, Volumetrie, Erschliessung, Nutzung, etc.), definiert den Rahmen für künftige Projekte. Über das Regelwerk hinaus helfen ein steckbriefartiger Beschrieb und Referenzbilder, die baulichen und freiräumlichen Themen und Typologien zu veranschaulichen sowie die angestrebten Qualitäten festzuschreiben. Die Masterplanung innerhalb dieses Rahmens wird als ein dynamischer Prozess verstanden: ein Dialog zwischen Stadt, Grundeigentümern und Bauherrschaften, in dem die Planung sukzessive fortgeschrieben und umgesetzt wird.
Metropole
In der fragmentierten Stadtlandschaft mit ihrer meist vielfältigen und teilweise radikalen Nutzungsmischung auf engem Raum sowie der Verzahnung von Siedlung und Landschaft sehen wir das Potential für eine Entwicklung zu einem zukunftsfähigen Metropolenraum neuen Typs. Diese eher dezentral organisierte und schwächer hierarchisierte Form der Metropole erscheint uns in vielerlei Hinsicht belastbarer und krisenfester als klassische Metropolen wie Paris, London oder Berlin. Die dezentrale Konzentration urbaner Strukturen und Funktionen ist Voraussetzung für eine neue Vielgestaltigkeit im Sinne einer föderalistischen und nachhaltigen Stadtlandschaft.
N
Niemandsland
Der Begriff Niemandsland (terra nullius) bezeichnet ein Gebiet, das niemandem gehört, also staatsrechtlich herrenlos ist, oder von niemandem besiedelt und gepflegt oder bewirtschaftet wird. (wikipedia)
O
Optimismus
Stadtentwürfe können nur erfolgreich sein, wenn sie sich selbst als das verstehen, was sie sind: unterschiedliche Möglichkeiten des Scheiterns. (…) Pläne, die sich in Frage stellen, sind korrigierbar, andere nicht.“ (Ernst Hubeli)
P
Partizipation
Wer wird woran beteiligt? Zivilgesellschaftliche Akteure an der Planung? Oder die Planung beteiligt sich an den alltäglichen Prozessen der Stadtentwicklung? Der Partizipationsbegriff und die darauf aufbauenden Beteiligungsverfahren haben oft etwas Paternalistisches an sich. Sie gehen zumeist davon aus, dass die Planung die richtigen Vorgaben macht, die nun den Beteiligten noch näher gebracht werden müssen.
Q
Qualitätsoffensive
Wo sich innerstädtische Freiräume trotz errechneter Unterversorgung nicht ohne Weiteres vermehren und vergrößern lassen, sind andere Strategien gefragt. Solche, die teils ungewöhnliche Wege aufzeigen, wie das Grün als Teil der Stadt gesichert, entwickelt und besser nutzbar wird. Das reicht von kreativen Mehrfachnutzungen im Grün, temporären Zwischennutzungen, Verbesserung der Zugänglichkeit und Vernetzung bis zur qualitativen Aufwertung und kleinteiligen Ergänzung des Bestandes. Es wird nicht nur darum gehen, die Folgen der Nachverdichtung zu bewältigen, sondern auch darum Stadtgebiete für die Zukunftsaufgaben der Stadtentwicklung in einer längerfristigen Perspektive ‚fit zu machen’.
R
Rührei
Wesensmerkmal der heutigen postfordistischen Stadt ist die Parallelität von unterschiedlichen Zuständen, Epochen, Strukturen. Von alter Stadt und Zwischenstadt, Siedlung und City, pragmatischer Infrastrukturnotwendigkeiten und gelebter Heimat. Sie transformiert sich durch die beschleunigte Gleichzeitigkeit von Wachstum und Schrumpfung, Verdichtung und Entdichtung, Dynamik und Stillstand. Wirtschaftliche Umbrüche, regionale Rahmenbedingungen, differenzierte soziologische Milieus und Lebensstile bilden sich in unterschiedlichen Stadtfragmenten ab. Die „alte Stadt“, das historische Zentrum, wird dabei zu einem Teil unter vielen, gleichsam untergerührt wie in Cedric Price’s bekannter Metapher von der modernen Stadt als Rührei.
S
Städtebau
ist weniger die Schnittstelle als vielmehr die große Schnittmenge der im Stadtraum entwurflich Engagierten. Im städtebaulichen Entwerfen begegnen sich alle für die räumliche Entwicklung wesentlichen Disziplinen und hier muss deren Integration gestaltrelevant gelingen. Es braucht „Planungskompetenz“ für den Umgang mit Datenmaterial und sozioökonomische Kenntnisse, Wissen über Akteure und Verfahren, und „Entwurfskompetenz“, also kulturelles Wissen und „räumlich-formale“ wie ästhetische Fähigkeiten.
T
Topologie
In der Mathematik die strukturelle Regelhaftigkeit von Räumen die trotz Verformungen selbstähnlich bleiben. Im Städtebau die Aufforderung aus der raumfunktionalen Logik des Ortes spezifische Spielregeln des Weiterbauens und der urbanen Transformation abzuleiten. Antithese zum typologischen Städtebau, der architektonische Typologien als allgemein gültige städtische Regenerationsinstrumente einsetzt.
U
Unordnung
So wie die Zwischenstadtdebatte sich den urbanen Realitäten jenseits der Kernstädte – und damit der Mehrheit des Gebauten – in Forschung und Planung zuwandte, so rückt der Begriff Metrozonen nun Rest-, Übergangs- und Zwischenräume in den Blick die sowohl dem ordnenden Impetus des Stadtplaners als auch formalen Gestaltungsversuchen entgangen sind. Zum Glück: „Urbanität lässt auch Raum für Unordnung und Unsicherheit. Die rationalistischen Konzepte fordistischer Planung sollen der Stadt das Dschungelhafte, Mythische und Bedrohliche austreiben, doch zerstören sie damit auch das Heilige, Sakrale, die Stadt als Heimat und identitätsstiftende Erinnerung.“ (Walter Siebel)
V
Verkehr
Verkehr und Stadt sind nicht nur untrennbar verbunden, sie bedingen sich gegenseitig. Verkehr bedeutete Mobilität und die Verheissung einer freieren und komfortableren Zukunft. Moderne Verkehrswege generierten neue Stadträume und automobile Ästhetik inspirierte die Formgebung in der Architektur. Bis schliesslich mit der Walking City gar die Stadt selbst mobil wird und “sich heiter und gelassen durch die Landschaft bewegt” (archigram).
Mit der konzeptionellen Dominanz der Verkehrsfunktion über alle anderen Aspekte hat die modern Straße ihre polyvalente Komplexität aufgegeben zu Gunsten einer reibungslosen Abwicklung des Verkehrs: vom Öffentlichen Raum zum Transitraum.
W
Wertschätzung
Bestände sind Ressourcen. Das gilt heute immer mehr und mit Blick auf die Anforderungen der Nachhaltigkeit insbesondere. Wenn es denn eine Lehre aus der jüngeren Städtebaugeschichte gibt, dann doch diese: Man kann Städte nicht gegen ihr Wesen, ihren Charakter bauen, umbauen, weiterbauen. Man kann sie auch nicht wirklich transformieren, wenn man ihre Form und die diese beeinflussenden Kräfte nicht verstanden hat.
X
XY unbekannt
In Gleichungen mit einer Unbekannten wird diese häufig mit dem Buchstaben x bezeichnet. Der heutige Städtebau ähnelt einer Gleichung mit vielen Unbekannten. Anfangs ist oft weitgehend unsicher, wieviel Fläche in welchem Entwicklungszeitraum mit welchen Programmen für welche Nutzer geplant werden kann. Und was passiert, wenn nichts passiert? Der Planer kann sich ein Szenario wünschen, erzwingen kann er es jedoch nicht. Maximale Flexibilität in Städtebau und Architektur fordern programmloses Entwerfen, das Nicht-Festlegen und dennoch Ermöglichen.
Y
yellow z
Im Jahr 2008 haben wir nach mehrjähriger Zusammenarbeit unsere Büros process yellow in Berlin und Büro Z in Zürich zusammengeschlossen zu yellow z urbanism architecture. Die Projektarbeit erfolgt unter gemeinsamer Federführung in engem Austausch und in projektspezifisch organisierter Arbeitsteilung.
Konzeptionelle Stärke ist nicht eine Frage des Entwurfsmassstabs, sondern des inhaltlichen Zutritts. Dafür müssen vermeintliche Gewissheiten hinterfragt und bekannte Standards diskutiert werden. Für das Entwerfen als Arbeitsweise gibt es keine Rezepte, wohl aber Techniken, die auf urbanistische und architektonische Fragestellungen antworten können. Räumliche Entwicklungsstrategien und architektonischer Entwurf sind Massarbeit.
Z
Zukunft
Bei der Imagination „zukünftiger Gegenwarten“ werden gerade nicht die zu jener Zeit gültigen Rationalitätsstandards zur Konstruktion eines realistischen, gegenwartsangepassten Zukunftsbildes angewendet. (…) (wikipedia)
Viele der Maßnahmen und Ideen, die so entstehen werden, sind weit über den üblichen Planungshorizint hinausgedacht und dienen dazu, die Vorstellungen von der Zukunft auszuweiten.